• Gastro

Editorial

Liebe Leser*innen,

„denn man sieht nur die im Licht stehn, die im Dunklen sieht man nicht.“ Diese berühmte Liedzeile von Bertolt Brecht spiegelt das wider, was zum Alltag vieler, wenn nicht gar der meisten Migrant*innen gehört.

Wen die Scheinwerfer des öffentlichen Interesses, der Medien oder der Politik erfassen, der steht im Rampenlicht – leider oft genug als Teil von nicht gerade schönen Inszenierungen: Menschen mit einer Migrations- oder Fluchtgeschichte, die ein Verbrechen begangen haben oder auch nur unter Verdacht stehen, gegen ein Gesetz oder eine Vorschrift verstoßen zu haben, bekommen in der Regel weitaus mehr öffentliche Aufmerksamkeit, mehr Rampenlicht und meist auch mehr Vorverurteilungen als jeder „Nicht- Migrant“ in einem ähnlichen Fall. Und da sich die meisten Medien mit Vorliebe auf skandalträchtige, problembehaftete Themen stürzen, können solche Negativschlagzeilen rasch dazu führen, dass sich Vorurteile verfestigen – Vorurteile, die nicht selten den Nährboden bilden für Hass und Gewalt.

Umso wichtiger ist es, das Rampenlicht auf all die enormen Potenziale zu richten, die Migrant*innen, ihre Kinder und Kindeskinder mit sich bringen, auf deren Expertise und auf deren immer noch viel zu wenig beachtetes gesellschaftliches Engagement. Hier hat sich in den letzten Jahren viel getan: während lange Zeit migrantische Schauspieler*innen bevorzugt die Rolle von Schurk*innen erhielten, stehen sie inzwischen auch als Kommisar*in vor der Kamera; und in der Tagesschau berichten immer mehr Menschen mit einer internationalen Geschichte über die Geschehnisse der großen weiten Welt. Auch das migrantische Engagement findet zunehmend Raum in der Medienberichterstattung. All das steht natürlich noch lange nicht im Verhältnis zum migrantischen Anteil an der Gesamtbevölkerung, aber es geht voran.

Oder muss man sagen: es ging voran? Denn all dies ist auch bedroht durch den zunehmenden Rechtsruck, die zunehmende Migrationsfeindlichkeit, unterliegt der Gefahr, wieder ins „Dunkle“ zurückgedr.ngt zu werden.

Im November stehen gleich zwei große Events des Forums der Kulturen ins Haus, mit denen das kulturelle wie auch das gesellschaftliche Engagement von Menschen mit Migrationsgeschichte, deren Expertise und Kreativität ins Rampenlicht gestellt werden: das großen interkulturelle Festival Made in Stuttgart und die FliS-Bildungstage.

Das Festival Made in Stuttgart gibt migrantischen Künstler*innen aus Stuttgart und Umgebung eine Bühne und präsentiert dabei vor allem Produktionen, die selten zu sehen und zu hören sind, obwohl deren Produzent*innen allesamt hier in Stuttgart leben und arbeiten. Sie zeigen ein Spektrum jenseits von Klischees und damit auch auch jenseits von vorurteilsbeladenen Zuschreibungen, Beiträge, die Spaß machen und Lust auf mehr.

Bei den FLiS-Bildungstagen (FLiS steht für Fair lernen in Stuttgart) steht das Expert*innenwissen und das Engagement der hiesigen (post-)migrantischen Vereine und Initiativen im Vordergrund. Menschen mit Migrationsgeschichte sind hier nicht nur Lernende, sondern auch Lehrende. Aktive aus den Vereinen führen die Workshops und Seminare in eigener Regie durch und bieten Interessantes und Wissenswertes aus allen Fachbereichen – ein gemeinsames Lernen auf Augenhöhe, bei dem die Teilnehmenden zeigen, dass sie mehr können als die Schurk*innen spielen, oder „nur“ kochen und tanzen. Migrantische Expertise und Potenziale sichtbar machen, das ist auch eine wichtige Aufgabe dieses Magazins. Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Ihr
Sami Aras
Vorsitzender des Forums der Kulturen Stuttgart e. V.