Fikri Anıl Altıntaş: Zwischen uns liegt August
H. Beck, 2025.
269 Seiten.
Fikri Anıl Altıntaş: Zwischen uns liegt August
Fikri Anıl Altıntaş‘ Roman Zwischen uns liegt August erzählt von der Suche nach Herkunft im Angesicht des Verlusts. Ein Sohn begleitet seine sterbende Mutter, während sich die Gegenwart in Deutschland und die Vergangenheit in der Türkei kapitelweise gegenüberstehen, aber miteinander in Beziehung treten.
Die präzisen Zeitangaben öffnen Fenster in die Gegenwart: in den Alltag einer Familie, die zwischen Krankenhaus, Küche und Erinnerungen lebt. Aus Momenten werden Räume der Reflexion, in denen das Gelebte aufscheint, das Gesagte und das Versäumte. Ihnen gegenüber stehen Szenen aus Aydın, 1973: die Jugend der Mutter, bevor sie ihre Heimat verlässt. Ihr Vater arbeitet bereits in Deutschland, und die Umstände drängen die Familie, ihm nachzufolgen – aus Sorge, aber auch aus Sehnsucht nach einem gemeinsamen Leben.
Türkische Passagen, teils übersetzt, teils nicht, fungieren als Erinnerungsanker: Sie versetzen die Leser*innen in die Welt der 1970er Jahre – in den Idealismus einer Teenagerin, die Schallplatten hört, Çay trinkt, sich an Demos beteiligt, bis sie ihr gewohntes Leben für ein neues, unsicheres aufgeben muss. Auch in den Kapiteln in Deutschland wirken die Passagen als Resonanzkörper eines leise gedrehten Selbstverständnisses, das Vertrautes bewahrt, und machen den emotionalen Kern der Familiengeschichte spürbar.
Altıntaş zeigt, wie eng Hoffnung und Verlust miteinander verwoben sind: Jede Entscheidung trägt die Spuren von Entwurzelung, von dem, was zurückgelassen wird. Wenn Altıntaş über seine Mutter schreibt, tut er es im „Du“ – ein tastendes, fast beschwörendes Sprechen, das Nähe herstellt und zugleich Schmerz offenlegt. Zwischen uns liegt August ist ein stiller, poetischer Roman, der uns auffordert, die Geschichten hinter den Geschichten zu hören.