Nina Blazon und Dora Várkonyi

Stuttgarts verborgene Geschichten
Von Drachen und anderen Rätseln.
8 grad verlag, 2025.
168 Seiten.

Nia Blazon (links) und Dora Várkonyi
Foto: Nina Förster

Literarischer Stadtspaziergang mit Nina Blazon und Dora Várkonyi

„Geschichten hinter der Geschichte“

Mythologische Wesen, spannende Persönlichkeiten, verborgene Orte:  Sie kreuzen den Weg von Nina Blazon, die die Leser*innen in Stuttgarts verborgene Geschichten auf einen poetischen Spaziergang mitnimmt. Anders als ein Reiseführer, liefert es einen persönlich-literarischen Blick auf Stuttgart.

Der Streifzug durch die Landeshauptstadt beginnt auf der Karlshöhe, führt unter anderem zur Stiftskirche in die Innenstadt, zu den Mineralquellen in Bad Cannstatt, über den Bahnhof im Norden Stuttgarts und zum Nesenbach nach Heslach in den Süden. Sie möchte gerne „die Geschichten hinter der Geschichte“ erzählen, sagt Nina Blazon: „Mein Blick ist der einer Schriftstellerin, die keine Ur-Stuttgarterin ist und die Stadt schon seit Jahrzehnten mit dem Literaturfilter im Hinterkopf betrachtet und erlebt.“

Mit der Recherche für das Buch habe sie so begonnen, wie für jedes andere Buchprojekt auch: „Ich habe die Stadt mit bewusstem Blick durchwandert, Lieblingsplätze besucht, neue Orte entdeckt, aufgeschrieben, Szenen entworfen, Stichwortlisten erstellt und viele Fragezeichen gesetzt.“ Nach und nach haben sich Grundthemen und die Auswahl der Orte abgezeichnet, so die Autorin. Damit sei sie dann ins Stadtarchiv und habe „Fragezeichen für Fragezeichen abgearbeitet“ und ganze neue Details und weitere Geschichten entdeckt.

Ergänzt wurde die Recherche um Interviews mit Stuttgarter*innen, wie „der Autorin Iris Lemanczyk, die über die Deportation der Sinti und Roma vom Stuttgarter Nordbahnhof auch einen Roman geschrieben hat, oder mit Bertram Maurer, dem Leiter der Geschichtswerkstatt in Degerloch“. Auch ihr eigener, interkultureller Blickwinkel, ihre Gedanken und Perspektiven hat Nina Blazon miteinfließen lassen: Als „Kind dreier Länder“ (Deutschland, Kroatien und Slowenien), wie sie sich im Buch beschreibt.

Das „Kind dreier Länder“ findet neue Wurzeln in Stuttgart

Basierend auf ihrem persönlichen Blickwinkel hat die Autorin auch die Geschichten ausgewählt und ist von ihren „üblichen Stadtspaziergängen und Routen ausgegangen“. In Stuttgarts verborgene Geschichten wird ihr Interesse an der Natur deutlich: Es geht um Gestein, wie Skulpturen, die an vergangenes erinnern, um Wasser, darunter der Nesenbach und um Wald, zum Beispiel um das Landschaftsschutzgebiet Dornhalde. Außerdem geht Nina Blazon auf Stuttgarter Frauen in verschiedenen Epochen ein, darunter Helga Brehme vom Theater am Faden, die Löwenbändigerin Claire Heliot und Stuttgarts erste Polizeiassistentin, Henriette Arendt.

Die Schriftstellerin, die seit rund 30 Jahren in Stuttgart lebt, verbindet mit der Stadt „neue Wurzeln“ und hat sich hier verortet: „Mit Lebenserinnerungen, einem Netz von Freundschaften und gemeinsamen Erlebnissen. Und auch mit den Geschichten von Menschen, die hier vor Jahrhunderten lebten – und auf deren Spuren wir heute gehen.“ Für sie ist Stuttgart „auch die Stadt der vielen Sprachen und Perspektiven. Hier habe ich meine Stimme als Autorin gefunden“.

Für Stuttgarts verborgene Geschichten ist Nina Blazon durch viele Orte spaziert. An welchem hält sie sich eigentlich besonders gern auf? „Ganz besonders liebe ich die Gegend um den Waldfriedhof mit dem Wald an der Schwälblesklinge.“ Nirgendwo sonst könne sie ihren kreativen Brunnen so gut auffüllen. Sie empfiehlt „unbedingt mit wachem Blick die Mammutbäume der Stadt anzuschauen“. Als „richtiges grünes Juwel“ beschreibt sie den Wernhaldenpark, unterhalb der Neuen Weinsteige, wo diese Bäume zu finden sind.

Die Geschichten von Nina Blazon hat die Künstlerin Dora Várkonyi illustriert. Ihre Wandgestaltung unterwegs, die in ihrer Galerie in Stuttgart (Olgastraße 81) zu sehen ist, besteht aus Keramikfliesen, die mit Porzellan überzogen sind. Die Grafiken auf den Fliesen hat sie einzeln und von Hand mit Kobaltoxid, einem schwarzen, kristallinen Pulver, das in Wasser unlöslich ist, gezeichnet. Im Anschluss hat Dora Várkonyi die Fliesen glänzend glasiert. Die Zeichnungen beschäftigen sich mit Themen wie Liebe, Freude, Gewalt und Erotik, aber auch mit Körpern, Tieren, Pflanzen und Architektur. Einzeln sind es Kurzgeschichten, zusammen ergeben sie einen Roman.

Für Stuttgarts verborgene Geschichten hat die Künstlerin die Wandgestaltung aus Fliesen um das Thema „unterwegs in Stuttgart“ ergänzt. Für jede Geschichte im Buch hat sie eine Fliese gestaltet, die Grafiken sind zu Beginn der Kapitel zu sehen. Das Cover zeigt die von Dora Várkonyi illustrierte Karlshöhe – der Ort, mit dem der Spaziergang durch Stuttgart beginnt.