Putaria – The body as catharsis
Lecture Performance von Hanna Aurajo Ulmer.
Fr, 21. November 2025, 21.30 Uhr
Theater La Lune, S-Gablenberg
www.mis.madeingermany-stuttgart.de
Lecture Performance Putaria
Die Poetik in brasilianischem Funk
Der künstlerische Prozess der 24-Jährigen, die an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart Kunst studiert, beginnt mit dem Schreiben, erklärt sie: Dem Sammeln und Zusammenfügen von Informationen, Geschichten, Glaubenssätzen und Liedtexten, sodass daraus neue Kombinationen entstehen können.
Aufgewachsen ist Hanna Aurajo Ulmer, die eine brasilianische Mutter und einen deutschen Vater hat, in Salvador, einer Großstadt im Nordosten Brasiliens. Dort sei Musik sehr präsent und charakteristisch für das Zusammenkommen vieler Kulturen in der Stadt. Musik ist auch ein großer Teil ihrer Performance Putaria. Nach rund 30 Minuten Lecture Performance in englischer Sprache werde getanzt – zu brasilianischem Funk. Das Genre, das in Brasilien nur „Funk“ genannt wird, ist in den 1980er-Jahren in den Favelas Rio de Janeiro entstanden.
Seit dem Aufkommen der Musikrichtung, gebe es Versuche, brasilianischen Funk zu kriminalisieren, sagt Hanna Aurajo Ulmer: „Immer mit der Begründung es würde Kriminalität – was ein strukturelles und soziales Problem in Brasilien ist – anfeuern oder unterstützen.“ Ein Subgenre des brasilianischen Funks ist Funk Putaria. Der portugiesische Begriff Putaria „verkörpert sowohl eine Idee von Obszönität aber auch von selbstorganisierter Freude“. Gängige Kommentare beim Hören der Liedtexte des Subgenres seien „wie obszön“ oder „wie gewaltvoll“. Der Grund: sie wirkten teilweise oberflächlich, objektifizierten Frauen, romantisierten Kriminalität, oder stellten Reichsein als größten Erfolg dar.
Popkultur als Ausdruck einer bestimmten Lebensrealität
Hanna Aurajo Ulmer ist aber der Meinung, dass jede Art von Popkultur eine bestimmte Lebensrealität ausdrückt. „Ich glaube es ist wichtig, diese Poetik auch ernst zu nehmen.“ Die 24-Jährige findet es schön, dass das Musikgenre auf künstlerische Art eine gesellschaftliche Debatte angestoßen hat. Faszinierend ist für sie, dass sich die gewaltvollen, sexuell aufgeladenen Fantasien als Genuss entfalten und zum Tanzen einladen. „Wie plötzlich eine Menschenmasse die Gewalt in etwas Bezauberndes umwandelt. Diese Kraft verstehe ich als Potenzial für Katharsis“, betont sie. Es gehe darum, sich von inneren Konflikten freizumachen und keine Angst vor Nähe oder Gefühlen zu haben.
Die Künstlerin wünscht sich, dass Besucher*innen ihrer Performance einen besseren Einblick in die Kolonialgeschichte Brasiliens erhalten. „Und mehr Verständnis für das entwickeln, was nicht in der vermeintlichen Hochkultur vorkommt.“ Darüber hinaus will Hanna Aurajo Ulmer mit ihrer Performance Scham abbauen: Hinsichtlich der Liedtexte, die oft von Sexualität handeln, und des energetischen Tanzstils. Das Schambehaftete kann in etwas Gutes umgewandelt werden, das zusammen geteilt werden kann – so ihre Hoffnung.