Freies Hip-Hop Institut

Toni-L
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Bryan Vit
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Toni-L im Freien Hip-Hop Institut.
Foto: Freies Hip-Hop Institut

Diskussionsforum „Einwanderungsland Deutschland“ im Zeichen des Hip-Hop

„Im Hip-Hop schreibst du deine Geschichte selbst“

Toni Landomini aka Toni L. und Bryan Vit sind Mitgründer des Freien Hip-Hop Instituts (FHI) in Heidelberg. Anlässlich ihrer Teilnahme beim Diskussionsforum Einwanderungsland Deutschland am 3. Juni in der Stadtbibliothek Stuttgart erzählen sie im Interview von Hip-Hop als Self-Empowerment, aber auch davon, wie wichtig eine Erinnerungs- und Bildungskultur ist.

Hallo Bryan, Hallo Toni, wie schön, dass ihr im Rahmen der Veranstaltungsreihe Einwanderungsland Deutschland am Start seid. In Bezug auf eure leitenden Funktion des Freien Hip-Hop Instituts in Heidelberg stellt sich zunächst folgende Frage: Welchen Einfluss hat Hip-Hop auf kulturelle Bildung? Was ist oder was sind die verbindenden Elemente, die diese Kultur fördert – gerade in Bezug auf junge Menschen im Einwanderungsland Deutschland?

Unserer Meinung nach ist Hip-Hop Kulturelle Bildung oder anders gesagt: eine Bildungskultur. Durch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Kommunikationsformen wie Sprache, Musik, Tanz, visuelles Design oder auch Mode drücken sich im Hip-Hop Menschen aus, lernen ihr Selbst und andere kennen und verändern immer wieder aktiv gesellschaftliche Bilder, Strukturen und Kulturen. Das Mixen von Sprachen, Codes, Styles, Musik- und Tanzgenres gehört zur DNA von Hip-Hop und so ist die Kultur und ihre Ausdrucksformen eine Art universelle Sprache, bei der alle mitmachen können, die wollen. Gerade junge Menschen finden im Hip-Hop leicht Zugang, weil es nicht darum geht, wo Du herkommst, welche Sprache du sprichst, welche Religion, Hautfarbe oder welches Geschlecht Du hast: Es zählt das, was Du kannst. Und während Du lernst, diese Dinge zu tun, lernst Du viel über dich selbst und das Leben.

Der Heidelberger Hip-Hop wurde in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen und dient als Vorbild in Sachen Vernetzung. Wie wichtig sind Erinnerungsorte und übergeordnet eine Erinnerungskultur für Hip-Hop? Was kann und soll durch diese nachhaltig und langfristig sichtbar gemacht werden?

Erinnerung ist wichtig, um sich der eigenen Position im Jetzt bewusst zu werden und auch die Zukunft besser gestalten zu können – und deshalb braucht es Orte, die sich der Erinnerung annehmen. Das Immaterielle Kulturerbe steht neben den praktischen Elementen Breaking, Rap, Deejaying und Graffiti auch für die Werte und Philosophie, die im Hip-Hop gelebt werden. „Peace, Love, Unity and Having Fun“ sind positive Ideale, die uns helfen, zusammen- und weiterzukommen. An die Kraft dieser Werte und die Geschichte, aus der sie stammt, zu erinnern, ist ein zentraler Teil unseres „Bildungsauftrags“. Das Hip-Hop Archiv, das wir in Kooperation mit dem Stadtarchiv Heidelberg aufbauen, verfolgt unter anderem das Ziel, eine Grundlage für eine quellenbasierte Hip-Hop-Geschichtsforschung zu schaffen. Dort findet man auch Namen, die vielleicht nicht im Rampenlicht stehen, kulturell dennoch einen wichtigen Beitrag leisteten und deshalb nicht vergessen werden dürfen.

Im Gespräch am 3. Juni geht es neben dem Thema Bildung auch um Empowerment. Ohne nun zu viel zu verraten: Inwiefern trägt Hip-Hop-Musik dazu bei, Menschen, insbesondere Menschen mit Migrationsbiografie zu empowern?

Eine sogenannte Migrationsbiografie ist ja keine Seltenheit und dennoch absolut individuell. Wo komme ich her und wo gehöre ich hin, sind die Fragen, die man sich selbst stellt, weil man sie einfach auch oft gestellt bekommt. Hip-Hop bietet dir in diesem Kontext eine Gemeinschaft und Methoden, die dir helfen, deine Identität zu reflektieren, auszudrücken und weiterzuentwickeln. Die Macht oder Kraft im Sinne von „Empowerment“ liegt darin, dass du im Hip-Hop deine Geschichte selbst schreibst. Du sprichst oder schreibst deinen Namen, erzählst von deiner inneren und äußeren Realität, produzierst oder spielst deine Musik, sprichst durch deinen Körper. Das fördert Selbsterfahrung und Selbstwirksamkeit und bestärkt dich darin, an dich zu glauben.

Zuletzt noch eine persönliche Frage: Welchen Mehrwert hat Hip-Hop für Euch und gibt es ein Element, das Euch persönlich am meisten empowert?

Toni: Ich bin jetzt seit über 40 Jahren Hip-Hop-aktiv und kann daher mit gutem Gewissen sagen, dass es mein Leben ist und ich ohne diese Kultur nicht der wäre, der ich heute bin. Zwar habe ich als Breaker angefangen, doch mein stärkstes Element ist der Rap, in dem ich als Meister der Zeremonie die Worte tanzen lasse.

Bryan: Auch ich bin durch Hip-Hop derjenige geworden, der ich bin. Als MC bin ich zwar nicht so erfolgreich wie Toni, aber ich habe es trotzdem geschafft, meine Leidenschaft zur Berufung zu machen. Hip-Hop als Kultur hat mich gelehrt, an mich zu glauben und Wege zu schaffen, wo es keine gibt. Mit dem Freien Hip-Hop Institut haben wir zusammen mit Frederik „Torch“ Hahn eine Struktur geschaffen, die es uns ermöglicht, unsere Liebe für Hip-Hop neben den künstlerischen und kulturellen Aspekten auch im Bereich der Forschung und Bildung auszuleben. Die Freundschaften und sozialen Kontakte sind aber am Ende das, was uns am meisten empowert.