Comedienne Senay Duzcu
„Humor hat mir immer geholfen!“
In Senay Duzcus Fall hieß das: Die Eltern wünschten sich eigentlich für ihre Tochter einen netten Mann, für den sie den Haushalt führen würde. Sie war eine brave Schülerin, erzählt sie, trotz ihres Problems: „Ich war Legasthenikerin. Die anderen dachten: Die ist dumm! Deswegen habe ich mich sehr angestrengt, bis hin zum Hochbegabten-Stipendium fürs Studium.“ Selbst dort waren Frauen nicht selbstverständlich: „Im Studium der Bauphysik fragte der Professor uns Studentinnen, was wir hier wollten, wir würden doch später heiraten! Ohne Worte!“
Zurück zum Anfang: Senay war drei Jahre alt, als ihre Eltern sie mit nach Deutschland nahmen. Klassische „Gastarbeiter*innen“, von denen man außer ihrer Arbeit nichts erwartete. Noch heute wünscht Senay sich, dass ihre Mutter besser Deutsch lernt. Denn mit ihren schlechten Sprachkenntnissen muss sie sich auf den Rat von Nachbarinnen verlassen, wenn sie etwas unterschreiben soll, oder versteht den Beipackzettel eines Medikamentes nicht. Aber auch absurde Situationen entstanden: „Mein Vater wollte ein halbes Hähnchen und sagte: „Ein halbes Mädchen bitte!“ Der Mann am Grill so: „Wollen Sie nicht lieber ein ganzes Mädchen?“ Und mein Vater: „Nein, zu teuer!“
Dass Senay nach ihrem erfolgreichen Architektur-Studium auf die Bühne drängte, war unumgänglich für die geborene Entertainerin. Schließlich trat sie im Fernsehen auf und lebt seit 2010 tatsächlich als hauptberufliche Stand-up-Comedienne. Als erste Frau mit türkischen Wurzeln! Jetzt sind die Eltern stolz auf sie. Auch wenn die Freunde des Vaters zuerst empört waren: „Er hat ihnen erzählt, dass ich „Strip-up“ mache! Aber auch er hält zu mir.“
„Mir fehlt nur noch was jüdisches. dann wäre ich komplett!“
Ihre Familie ist der Hintergrund vieler ihrer Geschichten auf der Bühne. Und Senay merkt, dass bei den typisch türkischen Situationen – wie zum Beispiel das Drama um die Organisation einer richtig großen Hochzeit – die Türken im Publikum besonders laut lachen: „Klar, denn die erkennen sich wieder!“ Türkisch-deutsche Vergleiche sind sehr beliebt, lacht sie: „Die Türkin in mir kommt immer zu spät – die Deutsche in mir macht immer pünktlich Feierabend!“
Noch viele weitere Identitäten spürt sie in sich: „Meine Eltern stammen aus der Osttürkei, also bin ich auch Kurdin. Meine Großmutter war Armenierin, der Urgroßvater hatte sie adoptiert. Jetzt fehlt mir nur noch was Jüdisches, dann wäre ich komplett!“
Ihre Ideen bezieht Senay aus allem, was sie tagtäglich mit Menschen erlebt. Die Frage „War Hitler eine Türkin?“ geht zurück auf eine Bahnfahrt. Ein Mann blockierte mit seinem Fahrrad den Einstieg: „Ich fragte ihn, ob er das nicht zur Seite stellen könnte. Daraufhin er: ‚Typisch Deutsch! Du Hitler!‘ Ich fragte mich: Bin ich schon so integriert? Ehrt mich das jetzt auf eine absurde Weise?“
Senays aktuelles Showprogramm heißt Drama Türkin: „Türkin hätte eigentlich alleine schon gereicht fürs Drama …,“ lacht sie und ergänzt: „Ich musste mich halt überall durchboxen. Dabei ist das doch der Urwunsch des Menschen: Einfach angenommen werden wie man ist.“