Demokratisch wählen gehen:
Bundestagswahl
23. Februar 2025
Bundestagswahl am 23. Februar 2025
Zum Schutz unserer Demokratie
Als Armin das Schulgelände des Wirtemberg-Gymnasiums in Untertürkheim verlässt, ist es fast 15.30 Uhr. Bis kurz zuvor hat er gemeinsam mit anderen engagierten Schülerinnen und Schülern im Demokratie-Ausschuss über ein anstehendes Demokratiecafé und die darin verhandelten Themen gesprochen sowie die ersten organisatorischen Dinge für das Schulprojekt „Schule als Staat“ vorbereitet. Auch die Bundestagswahlen werden im Demokratiecafé das Thema sein, außerdem der zunehmende Rechtsruck in der Gesellschaft. Und weil die Schüler*innen abhängig davon sind, wo andere ihr Kreuzchen am 23. Februar setzen werden: Während sie über Demokratie und Staat debattieren, können sie sich nur wünschen, von den Wählenden in ihren Belangen mitgedacht zu werden.
Armin ist überzeugt davon, dass auch Schulen einen wichtigen Beitrag dazu leisten sollten, über Politik und vor allem die Gefahren rechter, menschenfeindlicher Meinungsmache aufzuklären, um damit die Demokratie zu stärken. „Entzaubern“, sagt er, das sollten Schulen. Weit mehr, als das bisher geschieht. Wenn er rechte Schmierereien, verbotene Gesten, unwürdige Witze hört oder sieht, geht er dazwischen, da er sich als Schüler dazu in der Pflicht sieht. Er könnte anderen ein Vorbild sein. Armin bringt sich ein, ist laut und sichtbar – auch durch seinen Stil, den er als „uncool“ bezeichnet, andere würden sich über ihn lustig machen, mit seinen langen schwarzen Haaren und der Punkband, in der er spielt. Er lässt sie reden und kümmert sich darum, dass die Demokratie sich weiter erhält – in der Schule, bei den Pfandfindern, auf Demos. Warum ist ihm Ehrenamt und Engagement so wichtig? „Weil es vonnöten ist für eine schöne Gesellschaft, in der wir alle leben wollen, weil es Gesellschaft besser macht“, sagt er. So heißt es für ihn auch, demokratische Werte weiterzugeben und den erstarkenden Faschismus zu bekämpfen.
Das sieht auch Mehmet ganz ähnlich. Mehmet hat für sich den Weg in die Politik gefunden. Der 23-Jährige ist Gründer und Geschäftsführer des Vereins Local Diversity und sitzt im Stuttgarter Gemeinderat. „Oft wird es als selbstverständlich angesehen, dass unsere Demokratie existiert und auch weiter existieren wird. Doch das ist nicht selbstverständlich, daher ist es wichtig, sich für sie zu engagieren“, erklärt er. Und Engagement kann dabei vieles sein: sei es politisch, gesellschaftlich, im Sportverein. Mehmet hat viel erlebt, was ihn dazu gebracht hat, sich für die Demokratie in Deutschland einzusetzen: Die Flucht seiner kurdischen Eltern aus der Türkei, das Aufwachsen als Halbwaise, seitdem er elf Jahre alt war, und Armut. Chancengleichheit ist ihm daher ein wichtiges Anliegen, mit Local Diversity setzt er sich aktiv dafür ein, dass sich Menschen mit Migrationsbiografie politisch besser einbringen können. Außerdem macht er Bildungsarbeit für junge Menschen – gerne auch mit einer Party am Ende.
„Viele einzelne Stimmen machen einen großen Unterschied! Was in Berlin passiert, können wir alle beeinflussen.“
„Ich dachte immer, alles wird immer besser“, erzählt Mehmet, „aber es könnte der nächsten Generation auch nicht mehr so gut gehen.“ Für ihn ist die Wahlmöglichkeit einer der wichtigsten Hebel, um etwas zu bewegen. „Früher habe ich mich oft gefragt, ob es überhaupt etwas bringt, wählen zu gehen und habe mich ohnmächtig gefühlt. Aber jede Stimme zählt, denn viele einzelne Stimmen machen einen großen Unterschied!“ Die anstehende Bundestagswahl eröffnet auch den Raum, sich Gedanken zu machen, mit anderen über die Wahl zu sprechen, sich mit aktuellen Themen zu beschäftigen. „Und nicht einfach TikTok-Videos von Parteien anzuschauen“, so Mehmets Meinung. „Was in Berlin passiert, können wir alle beeinflussen.“ Und wem das Wählen noch zu wenig Einfluss sei: Zusätzliches Engagement für Politik und Gesellschaft steht allen offen.
Zu den letzten Landtagswahlen hat Armin mit anderen aus der Schülermitverwaltung eine Podiumsdiskussion mit Vertretenden der verschiedenen Parteien veranstaltet. „Wir halten gegen alles, was unsere Demokratie schwächt“, sagt der 16-Jährige. Und da es durch Talkshows schon mehrfach Belege dafür gab, dass es trotz demokratiefeindlicher und falscher Aussagen durch die AfD bei vielen dennoch keine Entzauberung dieser Partei auf Seiten der Anhänger*innen zu geben scheint, haben Armin und seine Mitstreiter*innen Vertretende dieser Partei bewusst nicht eingeladen: zu heilig ist die Demokratie. „Wenn du die AfD wählst, wählst du nicht die Demokratie“, schiebt Armin hinterher. Doch was ihm wirklich Angst mache, sagt er, ist die gesamte Diskursverschiebung nach rechts, die
er im Bundestag wahrnimmt. Über Parteigrenzen hinweg sind rechte Meinungen immer populärer, werden Menschen immer öfter abgewertet.
Fast beiläufig landet das Gespräch mit Armin während der letzten gemeinsamen Schritte in die Stadt beim Thema „Klassenchats“ – scheinbar ein fast rechtsfreier Raum, so klingt es. Er weiß aus eigener Erfahrung von abwertenden Kommentaren, rassistischen Witzen und davon, dass sich kaum jemand digital dagegen positioniert. Dass viele selbst Zielscheibe von Abwertung werden könnten oder indirekt schon sind, scheint auch sie selbst nicht unbedingt dazu zu motivieren, dagegen zu halten. Warum? Armin hat den Klassenchat damals selbst ins Leben gerufen und hat daher das Recht, Kommentare stumm zu schalten, wenn sie andere beleidigen. Er nutzt diese Chance zum Wohle aller. Weil Demokratie auch die Unantastbarkeit der Würde aller Menschen bedeutet. Am 23. Februar 2025 haben alle Wahlberechtigten die Möglichkeit, schon mit einem kleinen Kreuz etwas zu unserer Gesellschaft beizutragen – auch in der Verantwortung für all jene, die hier leben und nicht wahlberechtigt sind.