Prof. Dr. Tobias Singelnstein
Prof. Dr. Tobias Singelnstein beim Diskussionsforum Einwanderungsland Deutschland
Rassismus bei der Polizei: Anfang eines langen Weges
Herr Singelnstein, gibt es ein Rassismus-Problem bei der Polizei? Und wenn ja, wie lässt es sich erklären?
Ja, das muss man so sagen. Zum einen leben wir in einer Gesellschaft, die rassistisch strukturiert ist und in der rassistische Einstellungen zu einem gewissen Maße verbreitet sind. Da sind auch Polizistinnen und Polizisten nicht frei von. Schaut man sich den Forschungsstand zusammenfassend an, muss man davon ausgehen, dass solche Einstellungen in der Polizei ähnlich verbreitet sind wie in der Gesellschaft insgesamt. Zum anderen spielt institutioneller Rassismus in der Polizei eine besondere Rolle. Die Organisation Polizei war immer schon für die Kontrolle „der Anderen“ beziehungsweise von fremd gelesenen Menschen zuständig. Sie soll Migration kontrollieren und Kriminalität – für deren Bearbeitung die Polizei ebenfalls zuständig ist – wird nicht selten ethnisiert. All das befördert problematische Wissensbestände und diskriminierende Praxen in der Polizei.
Viele Personen sehen sich von Racial Profiling betroffen, wenn die Polizei Kontrollen durchführt. Wie lassen sich die rassistischen Muster entlarven und abbauen?
Einerseits durch Aus- und Fortbildung sowie regelmäßige Reflektion der eigenen Praxis. Zum anderen gibt es zum Beispiel das Instrument der Kontrollquittungen. Hier sollen die Beamtinnen und Beamten nach jeder Kontrolle eine Bescheinigung darüber ausstellen, dass die betroffene Person kontrolliert wurde und aus welchem Grund. Dies kann zum einen dazu führen, dass die Polizistinnen und Polizisten noch einmal reflektieren, warum sie die Person für die Kontrolle ausgewählt haben. Zum anderen haben die Betroffenen so die Möglichkeit zu dokumentieren, dass sie regelmäßig von solchen Kontrollen betroffen sind.
Stehen Sie mit Vertretenden der Polizei zu diesen Themen im Austausch?
Ja, wir sind regelmäßig zu Veranstaltungen und Fortbildungen in der Polizei und diskutieren unsere Forschungsergebnisse mit den Beamtinnen und Beamten.
Stellen Sie eine Entwicklung innerhalb der Polizei fest – sei es durch Beamt*innen, die selbst betroffen sind, durch Sensibilisierungsarbeit oder Ähnliches?
Ich sehe einige Fortschritte in den vergangenen Jahren. Besonders wichtig hierfür scheint mir die öffentliche Debatte zum Thema Rassismus in der Polizei zu sein, die in der Organisation für einen gewissen Druck gesorgt hat, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich glaube, Teile der Polizei haben durchaus erkannt, dass hier ein gravierendes Problem besteht, mit dem sich die Organisation dringend auseinandersetzen muss. Allerdings ist diese Auseinandersetzung auch ein langer Weg, bei dem die Polizei noch ziemlich am Anfang steht.