Schalom und Salam

Mehr Informationen und Mediathek
u. a. mit eigenen Podcasts:
www.schalomundsalam.de

Hinter dem Projekt steht der Verein Kubus e. V., der sich der Förderung von Vielfalt und Toleranz verschrieben hat. Mit Sitz in Stuttgart bietet der Verein eine Anlaufstelle für alle, die sich für interkulturellen Austausch und ein friedliches Miteinander engagieren möchten.
www.kubusev.org

Foto: Veronica Sartore
Ausgabe: April 2025

Projekt Schalom und Salam

Dialog statt Spaltung

Schalom und Salam setzt sich für die Verständigung zwischen jüdischen und muslimischen Gemeinschaften ein. Bildungsangebote und Dialogräume fördern gegenseitiges Verständnis. Den Kampf gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus versteht das Projekt als gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

„Ich bin es leid, dass die Dominanzgesellschaft versucht, Juden und Muslime gegeneinander auszuspielen“ – für Hanna ein triftiger Grund, an der Botschafterinnen-Schulung von Schalom und Salam teilzunehmen. Die Schulung dient als Plattform für Begegnung und gemeinsames Lernen. Gemeinsam widmen sich junge jüdische, muslimische und andere interessierte Erwachsene Themen wie Antisemitismus, antimuslimischem Rassismus und interkultureller Sensibilisierung.

Die Schulung umfasst Workshops, gibt Anregung zum Perspektivwechsel und beinhaltet Besuche religiöser Stätten, wie Synagogen und muslimische Gemeinden in Stuttgart. Ziel ist es, die Teilnehmenden zu befähigen, als Botschafter*innen für eine plurale und inklusive Gesellschaft einzutreten. Im Lauf der fünf Jahre, die Schalom und Salam im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie leben gefördert wurde, durchliefen rund 70 Personen die Schulung. Das erworbene Wissen nehmen sie in ihr eigenes Umfeld mit– so etwa Mehmet Ildes. Herkunft und sozialen Background hat der junge Stuttgarter als Hemmnis für sozialen Aufstieg erlebt, Ausgrenzung und Rassismus prägten Kindheit und Schulzeit. „Es ist extrem wichtig, sich zu engagieren, wenn man diese Probleme hat“, sagt Ildes. Daher hat er den Verein Local Diversity e. V. ins Leben gerufen, der junge Menschen zum politischen Engagement ermutigt.

Gleichzeitigkeit von Schmerz aushalten

Letztes Jahr wurde Schalom und Salam mit dem Power for Democracy Award der Philip Morris GmbH ausgezeichnet. Den Preis sieht das Team als Motivation, seine Arbeit weiter auszubauen. Dank der Förderung der Stadt Stuttgart ist dies nun zunächst für ein weiteres Jahr möglich, wenn auch in geringerem Umfang. Neben der Botschafterinnen-Schulung bleiben die open spaces im Programm. Das sind offene Räume für Dialog, die nach dem Schock des 7. Oktober 2023 ihre Bewährungsprobe fanden. Geschaffen für Menschen, die sich unwohl mit der Polarisierung fühlten, die das gesellschaftliche Klima nach dem Massaker der Hamas und dem Beginn des Gaza-Kriegs prägte. „Nach dem 7. Oktober gab es einen enormen Anstieg antisemitischer Vorfälle, zugleich standen muslimische Menschen unter Generalverdacht“, erinnert sich Veronica Sartore, eine der Projektmitarbeitenden von Schalom und Salam. Die open spaces boten Möglichkeit, sich über Emotionen auszutauschen oder die eigene Überforderung zu artikulieren. „Der Dialograum half, die Menschlichkeit des anderen zu erkennen und die Gleichzeitigkeit von Schmerz auszuhalten“, bringt Kiril Denisov, Botschafter und Projektmitarbeiter bei Schalom und Salam, die Erfahrungen auf den Punkt.

Neue Perspektiven schaffen

Sich dem Schmerz zu stellen, auch über die Zeiten hinweg, ist Aufgabe der Erinnerungskultur, einem weiteren Tätigkeitsfeld des Projekts. Mit dem Fokus auf multiperspektivischer Erinnerungskultur will Schalom und Salam Narrative stärken, die der Sicht betroffener Gruppen gerecht werden. „Für Minderheiten macht es Sinn, Bündnisse zu schließen und zu schauen, wie Diskriminierung stattfindet“, sagt Sartore, „Diskriminierung geschieht auch dergestalt, dass die eigenen Opfererfahrungen nicht gewürdigt werden“. Zu diesem Zweck erkundete Schalom und Salam Orte und Diskurse. Etwa am Stuttgarter Gerda-Taro-Platz. Erst 2007 wurde zum Gedenken an die im Spanischen Bürgerkrieg verstorbene antifaschistische Fotografin eine unattraktive Grünfläche an der Hohenheimer Straße als Gerda-Taro-Platz ausgewiesen. Das zeigt, wie schwer Biografien Eingang ins kollektive Gedächtnis finden, die jenseits eines als typisch jüdisch erachteten Schicksals verliefen.

Die Teilnehmenden diskutierten in diesem Kontext den Begriff des „Gedächtnistheaters“, dem der jüdische Lyriker Max Czollek kritisches Profil verliehen hat. Ihm zufolge fungieren Jüdinnen und Juden als lebender Beweis, „dass die deutsche Gesellschaft ihre mörderische Vergangenheit erfolgreich verarbeitet hat“ und dienen als „reine und gute Opfer“ den Deutschen zur eigenen Läuterung. Eine Beschränkung der erinnerungskulturellen Perspektive, die Schalom und Salam aufbrechen will. „Gerade junge jüdische Menschen weigern sich, nur als Opfer dargestellt zu werden“, sagt Sartore. So kommen Lücken der Erinnerungskultur in den Blick, wie Denisov betont: „Jeder kann einige deutsche nicht-jüdische Widerstandskämpfer*innen nennen, aber kaum jemand kennt jüdische Personen des Widerstands.“

„Das Wachstum der AfD ist eine existenzielle
Bedrohung“

Zudem erzeugt der oft nur symbolisch verhandelte Kampf gegen Antisemitismus zusätzliche Spaltung, wie Sartore weiß: „Muslime und als muslimisch gelesene Menschen, die Rassismus erfahren, fühlen sich unsichtbar. Sie sehen nicht, dass ihren Erfahrungen derselbe Stellenwert zugemessen wird wie jüdischen Menschen.“ Politische Akteure und Medien verstärken diese Spaltung, indem sie jüdische und muslimische Community gegeneinander auszuspielen und Hierarchien zwischen Betroffenengruppen zu etablieren suchen. Dass Anschläge aus dem rechtsextremen Spektrum eine geringere mediale Resonanz zeitigten als Taten migrantisch gelesener Personen, sei dafür symptomatisch: „Das legt unserer Arbeit zusätzliche Steine in den Weg“, meint Sartore. Frustrierend empfinden die Projektmitarbeitenden die Diskrepanz zwischen symbolischer Anerkennung und tatsächlicher Unterstützung ihrer Arbeit. Bundesweit werden Fördergelder für vergleichbare Projekte massiv gekürzt oder ganz gestrichen.

„Allein in Berlin werden derzeit viele gute Initiativen komplett aufgelöst“, berichtet Denisov, „und dann wundert man sich, wenn durch den Wegfall von Dialogräumen und Bildungsangeboten die Polarisierung wächst und Menschen zu Extremen tendieren.“ Linksextremer und islamistischer Antisemitismus seien nicht zu unterschätzende Risiken für eine freie jüdische Selbstentfaltung. Eine massive Gefahr sieht Denisov in der Normalisierung rechtextremer antisemitischer Narrative: „Das rasante Wachstum der in Teilen gesichert rechtsextremen AfD ist für die Mehrheit der jüdischen Menschen eine existenzielle Bedrohung“. Verantwortung in die Communities zu verschieben, kann keine Lösung sein, wie Denisov und Sartore betonen: „Auch nichtbetroffene Menschen sollten sich mit diesen Themen auseinandersetzen. Wir müssen uns gesamtgesellschaftlich gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus engagieren.“