Die Stuttgarter Musikerin Nuria Noba
Musik baut Brücken
„Viel zu weiß für ‘ne Arab, viel zu farbig für dich“ – eine Zeile, die tief blicken lässt. Und zwar in das Leben der Stuttgarter Musikerin Nuria Noba, die eigentlich Jasmin Kleinheins heißt. Im Gespräch erzählt die 25-Jährige mit einer reflektierten Ruhe über ihren bisherigen Lebensweg, über ihr Musikerinnen-Dasein und ihre ägyptischen Wurzeln, redet nie unüberlegt und immer mit Bedacht über Themen wie Herkunft, Identität und Dazugehören. Dabei spricht aus der Zeile ihres Rap-Songs 327 auch Wut: „In meiner Schulzeit wollte ich immer dazugehören. Ich war wie ein Chamäleon und habe mich je nach Gruppe angepasst. Ich habe lange gebraucht, um zu merken, dass ich nicht wie die anderen bin“, erzählt sie. Und beschreibt damit das Gefühlschaos, das lange in ihr herrschte – als Person mit postmigrantischer Geschichte, die in der schwäbischen Provinz bei Schorndorf aufwuchs.
In ihren Songs verarbeitet die Rapperin mitunter schwere Herzensthemen wie Identitätsfragen, Ausgrenzung oder der Verlust ihres Vaters, der in sein Heimatland Ägypten zurückging, als sie noch ein Kind war. „Es gab in meinem Leben immer viele Fragezeichen“, sagt sie. Musik war Kleinheins‘ Ventil, das ihr bereits in die Wiege gelegt wurde: Beide Elternteile sind Berufsmusiker und sie musizierte selbst von klein auf – gemeinsam mit ihrer Schwester auf dem Klavier, an der Gitarre oder Bratsche. „Ich bin Emotionsmusikerin, Musik war für mich der Zugang zum Leben, ein Gefühl von absoluter Freiheit“, erzählt sie. Ihre Erinnerungen an und die Sehnsucht nach dem Vater drückte sie in ihren Songs aus: „Musik war immer meine Konstante, meine Sicherheit im Leben – das einzige, das mich nie verlässt und das immer bleibt“.
Es ist wenig verwunderlich, dass Jasmin Kleinheins ihren Weg als Musikerin weiter ging: Derzeit studiert sie Jazz-Gesang an der Musikhochschule Stuttgart, hat als Nuria Noba kürzlich das Album Liladillet – ein Mix aus Jazz, Pop, Neo-Soul und Rap – veröffentlicht, ein weiteres wird im Sommer folgen.
Ihren Ausdruck in der Musik hat sie mittlerweile im Songwriting gefunden. „Das gibt mir einen Anker, ich kann eine Metaebene und Beobachterinnenrolle einnehmen“, beschreibt sie es. Ihre eigene Geschichte und das Aufzeichnen ihrer Gedanken haben die Studentin zum Lieder schreiben ermutigt. Und ihr Antworten gegeben. Auch als Kleinheins im vergangenen Jahr das erste Mal nach Kairo reiste, um ihren Vater und ihre dortige Familie zu treffen. „Ich hatte zunächst auch Angst und habe dann schnell gemerkt, dass mein Bild von der Realität dort weit entfernt war.“ Fern von der im konservativen Schwabenland mitunter rassistisch vorgeprägten Perspektive fühlte sie sich dort „so gut aufgehoben. Ich habe meine Wurzeln kennengelernt, Frieden mit den zwei Welten in mir gefunden und ich kann seitdem meine Identität mehr einordnen.“
Ihre eigenen Erfahrungen möchte die Musikerin mit Menschen, die ähnliches erlebt haben, teilen. „Dabei will ich mit meinen Songs keine konkrete Message senden, eher zum Selbstausdruck ermutigen – denn das kann Erleichterung verschaffen“, sagt sie. Ihr Weg, sich auszudrücken und ihre Gefühle zu verarbeiten ist selbstredend die Musik. „Musik baut außerdem Brücken, egal woher man kommt“, ist Kleinheins sich sicher. Ihre eigene Brücke Stuttgart-Kairo besteht fort – und sie wünscht sich, dass es auch in unserer Gesellschaft nicht weiter ums Brücken einreißen geht. „Wir sind eine postmigrantische Gesellschaft, das ist unsere Realität“, sagt sie. Die Menschen sollten sich mehr fragend und staunend begegnen, versuchen einander zu verstehen statt zu verurteilen. Für Kleinheins müssen gerade dafür Räume geschaffen werden. Ob durch Musik oder andere Ausdrucksweisen.