Starke Frauen: La Fuchsia Kollektiva e. V.
„Wir wollen uns lebend“: Kunst gegen Gewalt
La Fuchsia Kollektiva fasst komplexe und schwierige Themen in künstlerisch ästhetische Darstellungsformen. Die kolumbianischen Performerinnen Johana Gómez, Magda Agudelo und Laura Galeano bearbeiten oftmals- Themen, bei denen viele geneigt sind, wegzuschauen. „Gewalt gegen Frauen etwa, oder auch Feminizid – die gesellschaftliche und institutionelle Verantwortung für die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts“, so Magda.
Der interkulturelle Verein setzt seit 2019 künstlerische Projekte um. „Wir saßen in der S-Bahn,“ erinnert sich Johana, „und kamen gerade von einer Theaterperformance. Als die Bahnfahrt zu Ende war, stand fest: Wir gründen ein Kollektiv und setzen so unsere Ideen um. In Kolumbien gibt es vielerorts Straßentheater. „Wir haben das vermisst hier in Deutschland. Wir wollten das Theater auch hier auf die Straße bringen.“
Wichtig sei die Verbindung zwischen den Kulturen: „Wir sind vier Gründerinnen aus Kolumbien aber auch Menschen aus Deutschland und eine Person von der Elfenbeinküste machen mit. Wir wollten einen Ort schaffen, an dem alle ihre wichtigen Themen austauschen und künstlerisch umsetzen können.“
2021 beginnen die Künstlerinnen, sich mit dem Thema Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen zu befassen. Sie recherchieren Tag und Nacht zum Feminizid, verfassen Texte, schreiben Gedichte. Im Trio entsteht ein interaktives Mitmachheft. Im Heft finden sich leere Seiten oder Sätze, mit direkten Fragen: ‚Hast Du schonmal Gewalt erlebt? Was gibt Dir Hoffnung? Was ist Macht? Kannst Du mir mit Deinem Körper eine Geste der Macht zeigen?‘
Aktuell laufen die Vorbereitungen zum kommenden Stück Hey Sorora! Wir setzen alles aufs Spiel!, das am 20. März am Theater Rampe Premiere feiert. Hier setzen die Künstlerinnen ihre bisherigen Erfahrungen in einer Mitmach-Performance um.
„Wir haben uns zum Thema Gewalt gegen Frauen vier Gefühle ausgesucht, die uns im Leben selbst immer wieder begegnet sind. Emotionen, die wir als Frauen gelernt haben: Angst, Scham, Wut und als Erlösung Lust!“ Johana verweist auf den Klappentext der Mitmachbroschüre. In schrägen Lettern steht dort ein gemeinsames Gedicht der Künstlerinnen. „Eine Zusammenfassung davon, was wir bei ,Hey Sorora!‘ zeigen.“
‚Wir fühlen uns kraftvoll
Und voller Verlangen, Vergnügen, Genuss, Lust.
Wir tauschen Macht für Genuss.
Wir wollen, dass unser Antrieb nicht darin besteht,
Ein Maximum an Leistung zu erbringen,
Sondern, dass unser Antrieb zum Handeln unvermeidliche Lust ist.‘
„Angst ist an sich nicht schlecht“, findet Magda. „Sie schützt auch. Die gelernte Angst hingegen lähmt die Person und wird zum Hindernis.“ Sie sei in Lateinamerika in der Nacht sehr präsent. „Es wird einem immer wieder gesagt, als Frau nicht alleine unterwegs zu sein.“
„Dass ich diese latente Angst spüre“, sagt Johana, „ist teilweise auch begründet.“ Sie wurde gegen ihren Willen angefasst und verfolgt.
„Scham ist ein Gefühl, das meistens wir Frauen erlernt haben“, findet Johana. In einer konservativen Familie aufgewachsen, wurde sie sehr früh von Scham geprägt. Heute habe sie sich größtenteils davon befreit. „Man erlernt Scham bereits im Alter von zwei, drei Jahren“, ergänzt Laura.
Die Wut? Laura denkt nach. Ein persönliches Beispiel soll als Erklärung dienen. „In meiner Kindheit durfte ich keine Wut zeigen. Deshalb loderte ein Feuer in mir. Mei- nen Kindern vermittle ich heute: ‚Ihr dürft alles fühlen. Es ist das Leben und der Körper erlebt das in seinem individuellen Sinne.‘“
„Wut“, meldet sich Magda, „ist etwas, das die Menschen zusammenbringen kann.“ Bei Scham und Angst bleibe man unter sich. „Emotionen, die hemmen.“ Bei der feministischen Auseinandersetzung mit Gewalt an Frauen und Mädchen sei Wut eine wichtige Emotion. „Sie vereint die Menschen und bringt sie dazu, sich gemeinsam zu wehren. Sie kann eine antreibende Kraft sein und sich in etwas Schönes transformieren!
Das Resultat dieser Transformation ist die Lust. Wir verbinden diese Lust damit, gemeinsam etwas zu kreieren. Wir arbeiten viel mit mythologischen weiblichen Fi- guren“, schließt Johana. „Kali, Hekate und die Furien aus der griechischen Mythologie. Kali ist die Transformation an sich. Es ist wichtig, das in diesem Kontext zu sehen. Die Angst und Scham wird durch die zerstörerische Wut von Göttin Kali transformiert, sodass aus einer bedrückenden und aussichtslosen Situation unbändige Freude und Lust entstehen kann. Wir wollen uns lebend“, ergänzt Laura: „Nos queremos vivas! Wir wollen ohne Angst frei und lebendig sein!“