Carmen Belean:

Foto: ExoGallery
Ausgabe: Dezember 2023

Malerin Carmen Belean in der ExoGallery

„Es bleibt immer interessant und frisch!“

Ach, wie gerne wäre man an den Orten, die Carmen Belean malt: Es sind Pools, Swimming Pools. Türkisfarbene, umrahmt von saftig grünem Rasen. Ultramarinblaue, die von sonnenbeschienenen Palmen gesäumt sind. Luxuriöse Pools mit glitzerndem Wasser, in deren Hintergrund das weite Meer zu ahnen ist…

Außer Palmen und Pools finden sich auch ein, zwei Damen in Bikinis oder Badeanzügen in den Settings der Ölbilder von Carmen Balean, aber eher am Rande, wie aus der Ferne beobachtet. Die Figuren wirken eher anonym. Es gibt viel freien Raum auf diesen Gemälden; oft finden sich auch leere Liegestühle am Poolrand. Die dominierenden Farben sind meistens Grün und Blau.

„Ich bin schon mit zehn Jahren in Cluj auf eine Schule mit dem Schwerpunkt Kunst gekommen“, erzählt die 41-Jährige, die später folgerichtig sowohl Kunst als auch Graphische Künste studiert und 2015 ihren Doktor gemacht hat. Sie hat einen Lehrauftrag an der Universität von Cluj und zwei Ateliers, eines dort, eines hier in Stuttgart.

Nach der ohnehin schon gründlichen Ausbildung hat sich die junge Künstlerin mit vier weiteren Künstlerkollegen zusammengetan, um in Griechenland von einem erfahrenen Maler ganz praktisch zu lernen, wie man Figuren richtig gestaltet oder wie man mit dem Licht umgeht – und das merkt man ihren Ölgemälden auch an: Belean beherrscht das künstlerische Handwerk, die Proportionen ihrer Menschen sind perfekt und ihr gelingt es hervorragend, mit Licht und Schatten Atmosphäre zu schaffen.

Eine Gruppe aus lauter Künstler*innen, unterm griechischen Sonnenlicht, die wie früher ihr Handwerk von einem Meis­ter lernen – klingt idyllisch, oder? „Oh nein, diese Zeit war hart“, erzählt die junge Frau mit den braunen Locken, „ich war ja das einzige Mädchen – es war nicht gerade eine kompetitive Atmosphäre, aber… Als ich vor einigen Jahren das Buch A Room of One´s Own von Virginia Woolf las („Ein Zimmer für sich allein“, erschienen 1929), hatte ich das Gefühl, mit meiner besten Freundin zu reden! Für Frauen ist es auch heute, 100 Jahre später, schwieriger, eine gute Künstlerin zu werden. Es gibt einfach weniger Gelegenheiten persönliche Kontakte zu knüpfen – man geht weniger mal ein Bier trinken mit ein paar Kumpels… Ich hatte immer das Gefühl, dass man mich eher draußen hielt – oder ich habe mich rausgehalten. Deswegen wollte ich unbedingt, dass die Ausstellung in Stuttgart ihren Titel nach Woolf erhält. Die Frauen in meinen Bildern nehmen sich den Raum in der Natur. Sie haben sich ihren eigenen sicheren Raum kreiert – auch wenn es kein Zimmer ist. Ich kann mich sehr mit ihnen identifizieren. Auch ich brauche dieses Alleinsein draußen, wenn das Leben sich mal wieder überwältigend anfühlt.“

„Neo-expressionistisch“ ist ein Begriff, den man ihr zugeschrieben hat, da ihre Malerei figürliche Darstellungen und sehr lebendige Farbkontraste beinhaltet. Tatsächlich kann man sich von der Stimmung, der Farbgebung oder den Sujets her durchaus an Maler wie Edward Hopper oder David Hockney erinnert fühlen – wie geht es ihr damit? „Oh – für mich ist Farbe definitiv wichtig“, betont sie. „Eine Zeitlang habe ich versucht nur in Grauschattierungen zu malen – das war gar nichts für mich. Ich brauche diese Lebendigkeit und die Kontraste. Aber es ist ein ganz intuitiver Ansatz, den ich habe, ich habe keine direkten Vorbilder – ich finde, es gibt so viele gute Malerei! Schade nur, dass Frauen unterrepräsentiert sind.“

Als der Maler Paul Delaroche (*1797) die erste Fotografie sah, soll er gerufen haben: „Ab heute ist die Malerei tot!“ – „Oh nein, nicht für mich!“, sagt Belean. Und warum hat sie die Malerei gewählt, um sich auszudrücken? „Zu malen gibt mir ein Gefühl von Freiheit“, erklärt Belean, „ich habe immer gemalt. Auch wenn es ein harter Kampf ist manchmal, paradoxerweise. Es ist erstmal schwierig, seine eigene Sprache zu finden, aber wenn es passiert, dann ist es wie ein Lebensstrom… Es bleibt immer interessant und frisch für mich – und ich habe noch so viel zu lernen.“

Und wie geht es ihr als gebürtige Rumänin in Stuttgart? „Ich kann hier sehr gut arbeiten, denn ich kenne hier nicht so viele Leute wie in Cluj. Ich werde hier nicht so abgelenkt. Ich könnte eigentlich überall arbeiten, solange ich meine Utensilien habe und meine Fotografien – ich ziehe meine Energie nicht aus einer bestimmten Region, auch nicht aus der Tatsache, eine Migrantin zu sein. Und auch wenn sich Stuttgart für mich ,ernsthafter‘ anfühlt als Cluj, ist es eine interessante Stadt.“

Carmen Belean ist offensichtlich dabei, sich ihren eigenen Raum in der Welt der Kunst zu erobern. Und für Träumende in Stuttgart gäbe es vielleicht noch einen freien Platz auf einem der sonnigen Liegestühle, am Pool, unter Palmen…